Was steckt dahinter?
Der Begriff „Erbbaurecht“ wird wohl in erster Linie mit Gemeinden und der Kirche als Ausgebern einer riesigen Anzahl von Erbbaurechten in Zusammenhang gebracht. So stellen traditionell Städte und Gemeinden sowie die Kirche, aber auch private Eigentümer größerer Grundbesitzungen und z.B. Rentenkassen, Versicherungsträger ihre Ländereien gegen relativ geringes Entgelt zur Bebauung zur Verfügung, ohne ihr Eigentum an Grund und Boden letztlich aufzugeben. In der Regel wird der Zweck verfolgt, die Anschaffung einer Immobilie (häufig Wohnhäuser, Wohnungen, aber auch Gewerbeimmobilien) für eine breitere Käuferschicht attraktiver (oder auch erst bezahlbar) zu machen. Die Anschaffungskosten für Grund und Boden entfallen. Die Realisierung des Bauvorhabens wird auf diese Weise deutlich günstiger.
Dieser Grundgedanke des Erbbaurechts (Erwerb / Bau einer eigenen Immobilie ohne das Grundstück erwerben zu müssen) hat auch heute an Aktualität nichts eingebüßt. Gerade in den Städten steigen die Grundstückspreise Jahr für Jahr - teils in geradezu astronomische Höhen - ohne dass ein Ende der Preisspirale abzusehen wäre. Grund und Boden werden mitunter unbezahlbar. Hier kann das Erbbaurecht eine allseitig interessante Lösung bieten, und zwar sowohl für den Erwerber der Immobilie (Erbbaurechtsnehmer) als auch für den Verkäufer (Grundstückseigentümer / Erbbaurechtsgeber).
Die rechtliche Konstruktion des Erbbaurechts
Das Erbbaurecht gewährt dem Erwerber
- die Befugnis, auf einem (fremden) Grundstück ein eigenes Gebäude zu haben, das in seinem Eigentum steht,
- verbunden mit dem dinglichen Recht auf Nutzung von Grund und Boden, auf dem das ihm gehörende Gebäude errichtet ist oder errichtet werden soll.
Das Eigentum an Grund und Boden und das Eigentum an den darauf stehenden Gebäuden werden rechtlich in zwei selbständige Eigentumsrechte aufgeteilt. Bei Wohnungs- oder Teileigentum gilt dies entsprechend: Ein so begründetes Wohnungserbbaurecht gehört dem Erwerber zu Eigentum verbunden mit dem Recht auf anteilige Nutzung von Grund und Boden, auf dem die Wohnungsanlage errichtet ist.
Eigentum Gebäude / Wohnung / bauliche Anlage | Eigentum / Rechte des Erbbaurechtsnehmers |
Dingliches Nutzungsrecht Grund und Boden | |
Eigentum Grund und Boden | Erbbaurechtsgeber |
Gesetzlich geregelt ist das Erbbaurecht im Erbbaurechtsgesetz, das auf die Erbbaurechtsverordnung vom 15.01.1919 zurückgeht und somit bald 100 Jahre alt wird.
Das Erbbaurecht wird wie ein Grundstück behandelt. Es ist ein sogenanntes „grundstücksgleiches Recht“ mit einem eigenen Grundbuch (Erbbaugrundbuch). Demgemäß kann das Erbbaurecht wie ein Grundstück z.B. zu Finanzierungszwecken mit Grundschulden, mit einem Wohnrecht oder sonstigen Dienstbarkeiten belastet werden. Das Erbbaurecht ist übertragbar und vererblich. Der Eigentümer des Erbbaurechtes kann selbstverständlich das ihm gehörende Gebäude oder die Wohnung selbst nutzen oder auch vermieten. Ihm steht als Eigentümer die gesetzliche steuerliche Abschreibung auf das Gebäude zu.
Da der Erwerber des Erbbaurechtes nicht auch (formal) Eigentümer des Grundstückes wird sondern „nur“ der Gebäude, verbunden mit dem dinglichen Nutzungsrecht an dem Grundstück, spart er beim Erwerb des Erbbaurechtes den Kaufpreis, der an sich auf das Grundstück entfallen würde. Wenn z.B. Wohnungseigentum mit 2.000,- EUR/qm Wohnfläche berechnet würde, zahlt der Erwerber des entsprechenden Wohnungserbbaurechtes einen deutlich geringeren Preis (Ersparnis häufig 15% und 20%, also z.B. statt 2.000,- EUR nur 1.700,- EUR / qm Wohnfläche). Für diese Ersparnis bei der Anschaffung zahlt der Erwerber des Erbbaurechtes im Gegenzug an den Grundstückseigentümer ein jährliches Entgelt (den sogenannten Erbbauzins), dessen Höhe in dem Erbbaurechtsvertrag (und damit solange das Erbbaurecht besteht) von vornherein festgeschrieben und im Grundbuch eingetragen wird. Die genaue Höhe ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und wird zwischen dem Käufer und Verkäufer frei verhandelt. In der Regel richtet sich der jährliche Erbbauzins nach einem bestimmten Prozentsatz des reinen Grundstückswertes (z.B. 3,5% bis 5,5 % des Wertes von Grund und Boden, je nach Nutzungsmöglichkeit und Lage).
Der Erbbaurechtsvertrag – die Grundlage
Grundlage des Erbbaurechtes ist der Erbbaurechtsvertrag. Dieser Vertrag wird von einem Notar beurkundet. Der Grundstückseigentümer kann zunächst ein sogenanntes eigenes Erbbaurecht bestellen und dieses dann weiter veräußern. Das Erbbaurecht kann auch vom Grundeigentümer dem Erwerber direkt bestellt werden.
Aus dem Erbbaurechtsvertrag ergeben sich alle zu regelnden wesentlichen Punkte, u.a. Inhalt und Umfang des Erbbaurechtes und dessen Dauer (Laufzeit in der Regel 99 Jahre), Beschreibung des vorhandenen oder noch zu errichtenden Bauwerkes, die Höhe des Erbbauzinses, Versicherungen, Lasten, Zustimmungsvorbehalte, gegenseitige Vorkaufs- und Erneuerungsrechte, Heimfall etc. In der bald hundertjährigen Geschichte des Erbbaurechts haben sich auf der Grundlage der rechtlichen Regelungen und der langjährigen Erfahrungen in der Praxis gewisse Standards und üblicherweise so vereinbarte Regelungen in dem Erbbaurechtsvertrag durchgesetzt, die sich als praktikabel und ausgewogen erwiesen haben. Was nicht im Erbbaurechtsvertrag geregelt ist, ergibt sich aus Recht und Gesetz, insbesondere dem Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) und z.B. dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG).
Lange Laufzeit und Ende des Erbbaurechts – was geschieht?
Das Erbbaurecht wird in aller Regel auf 99 Jahre bestellt; denkbar sind aber auch kürzere und längere Laufzeiten (z.B. 2 x 99 Jahre = 198 Jahre); zudem kann der Erbbaurechtsvertrag darüberhinaus Verlängerungsoptionen vorsehen. Wenn irgendwann in ferner Zukunft das Ende des Erbbaurechtes erreicht ist, dann fällt zwar kraft Gesetzes das im Eigentum des Erbbaurechtsinhabers stehende Gebäude dem Eigentümer des Grundstückes zu. Der Grundstückseigentümer hat aber im Gegenzug als gesetzliche Pflicht dem Erbbaurechtsinhaber eine Entschädigung für das Gebäude zu zahlen, die sich an dem Verkehrswert orientiert, den das Gebäude im Zeitpunkt der Beendigung des Erbbaurechts hat. Bei Wohnraum darf kraft Gesetzes die Entschädigung nicht 2/3 des Verkehrswertes unterschreiten.
Selbstverständlich können sich die Parteien auf die Bestellung eines neuen oder die Verlängerung des alten Erbbaurechtsvertrages verständigen. Was für die Beteiligten sinnvoller ist (Abwicklung oder Verlängerung des Erbbaurechts), lässt sich wegen der sehr langen Laufzeiten des Erbbaurechtes bei dessen Bestellung kaum absehen. Es ist daher in aller Regel sinnvoll, auf eine starre Regelung im Erbbaurechtsvertrag zu verzichten und die weiteren Regelungen in die Hände der Rechtsnachfolger von Grundstückseigentümer und Erbbaurechtsinhaber zu legen.
Warum Erbbaurecht? Vor- und Nachteile
Im Vergleich zum Verkauf / Ankauf von Grund und Boden ergeben sich für den Grundstückseigentümer und den Erwerber des Erbbaurechtes jeweils gleichermaßen Vor- und Nachteile wie z.B.:
Vorteil für den Erwerber des Erbbaurechts: | Vorteil für den Grundeigentümer: |
Wesentlich geringere Anschaffungskosten | Bleibt – wenn auch nur formal – Eigentümer von Grund und Boden |
Ersparnis von anteiligen Finanzierungskosten; geringere Kapitalbindung | Hat Anspruch auf den Erbbauzins |
Ersparnis anteiliger Erwerbsnebenkosten (Grunderwerbssteuer, Notar, Grundbuch und Makler) durch geringere Bemessungsgrundlage | |
Wegen der langen Laufzeit und Verankerung im Grundbuch: Große Planungssicherheit - auch über Generationen |
Nachteile für den Erbbaurechtserwerber: | Nachteile für Grundstückseigentümer: |
Kein formaler Eigentumserwerb des Grundstücks selbst | Wesentlich geringerer Verkaufserlös |
Zahlung des jährlichen Erbbauzinses | Dingliche Belastung des Grundstücks mit dem Erbbaurecht an 1. Rangstelle im Grundbuch |
Zeitliche Begrenzung auf in der Regel 99 Jahre bei Recht auf Entschädigung | Keine anderen Nutzungs- / Verwertungsmöglichkeiten; fehlende Flexibilität für die Dauer des Erbbaurechtes |
Entschädigungspflicht nach Ablauf des Erbbaurechtes |
Es stellt sich also für beide Seiten stets die Frage, was vorteilhafter erscheint: Der Verkauf / der Ankauf des gesamten Grundstücks oder aber die Bestellung / der Erwerb eines Erbbaurechtes? Beide Wege sind jedenfalls grundsätzlich möglich und werden in großer Anzahl praktiziert. Es kommt auf die jeweilige Situation im Einzelfall an.